Christine Schöpf ist Mitbegründerin von Ars Electronica und Ehrenvorsitzende des Linz – UNESCO City of Media Arts Advisory Board.
Was waren für dich die Meilensteine von den Anfängen der Ars Electronica bis zur Anerkennung von Linz als UNESCO City of Media Arts? Welche Entwicklungen sind da im Umfeld getriggert worden?
Christine Schöpf: In den ersten Jahren der Ars Electronica, als Hannes Leopoldseder das Festival startete, war es aufgrund der handelnden Personen im Linzer Kulturbereich – abgesehen vom damaligen Bürgermeister Franz Hillinger und den Brucknerhausdirektoren Horst Stadlmayr und Ernst Kubin als engagierte Unterstützer in den Erstjahren – absolut undenkbar, dass in Linz so etwas wie ein Ars-Electronica-Netzwerk bzw. ein Mediennetzwerk entstehen würde.
Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Treffen in den frühen 1980er-Jahren mit damaligen Kulturverantwortlichen der Stadt. Wir dachten, es wäre sinnvoll, das Festival Ars Electronica breiter aufzustellen, über Brucknerhaus und ORF hinaus städtische Kultureinrichtungen als Partner für das Festival zu aktivieren. Wir sind gegen Wände gerannt und kläglich gescheitert! Keiner wollte mit Ars Electronica zu tun haben – als wäre das die Krätze, und ich erinnere mich sehr genau, wie selbst noch in den 1990er-Jahren Peter Baum das erste Ars Electronica Center – mittlerweile das bei weitem erfolgreichste Museum in Oberösterreich – als eine „lächerliche Gemischtwarenhandlung“ bezeichnete.
Diese Haltung hat sich mit mittlerweile neuen handelnden Personen im kommunalen Kulturapparat völlig geändert. Die Kunstuniversität, das LENTOS, das OK Offenes Kulturhaus, das Architekturforum, die Stadtwerkstatt und weitere Kultureinrichtungen in Linz sind nicht nur zu kompetenten eigenständigen Partnern des Festivals Ars Electronica geworden, sondern sie haben ihr eigenständiges Profil einer Medienkompetenz entwickelt.
Viele Kulturinstitutionen in Linz haben ihr eigenständiges Profil einer Medienkompetenz entwickelt.
Dass sich z. B. die Kunstuniversität zur Medienuniversität entwickelt, war aus damaliger Sicht undenkbar. Dass mit der Tabakfabrik ein neues Zentrum für einen „creative spirit“ entsteht und wie sich das zur Zeit entwickelt, finde ich toll. Wir haben das RISC und den Softwarepark Hagenberg mit der FH Hagenberg, die FH Wels im Großraum Linz … Diese Verbreiterung ist meiner Meinung ein eminenter Fortschritt im Sinn einer Profilbildung für die Region. Ich bin überzeugt, dass für vieles Ars Electronica ein Anstoß, ein Impulsgeber gewesen ist, und das empfinde ich natürlich als sehr positiv.
Das eine ist also der Blick nach innen auf das lokale / regionale Umfeld, aber man darf darüber hinaus nicht den Blick nach außen vergessen. Denn Ars Electronica ist es mit dem Futurelab und dessen Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Lauf der Jahre mit weltweiten Auslandsprojekten – mit Ausstellungen, Vorträgen, Festivalbeiträgen, Konzepterstellungen, Projekten, Kooperationen – gelungen , sich als international anerkannte Medienkunst-Institution zu etablieren. Und dass dazu nun die UNESCO-Anerkennung als „City of Media Arts“, kommt freut uns natürlich!
Es war früher die Rede vom „Spirit of Linz“ – was war das? Was war in den Anfängen der Ars Electronica so speziell an Linz?
Christine Schöpf: Diesen Begriff hat einer der ersten Gewinner einer Goldenen Nica, Brian Reffin Smith, geprägt. Er hat gemeint, in Linz seien so viele Dinge möglich – ein Festival Ars Electronica, ein Prix Ars Electronica –, die in anderen Städten nicht möglich seien. Und wie sich alljährlich dann zum Festival die Nerds, die Wissenschaftler, die Künstler in dieser Stadt treffen – was für ein ganz eigenes Gefühl da entsteht! Dann blüht dieser Spirit so richtig auf. Dieser Geist wurde auch von vielen Leuten regelrecht gepflogen. Das ging bis dahin, dass man sich wechselseitig mit privaten Unterkünften ausgeholfen hat … dieser Spirit of Linz war damals sehr stark aufs Festival bezogen, vor allem auf die Tatsache, dass es überhaupt existieren konnte über so lange Zeit – das muss man schon auch sagen! Mittlerweile steht das alles schon auf viel breiteren Füßen …
Du bist ja eine der beiden Ehrenvorsitzenden des Advisory Board der „UNESCO City of Media Arts“. Was bedeutet das für dich persönlich? Und im weiteren Sinn?
Was kann das UNESCO-Netzwerk tun, wenn es um Fragen der Weiterentwicklung des digitalen Zeitalters geht?
Christine Schöpf: Persönlich bin ich zunächst sehr neugierig, was aus dem Ganzen entstehen kann. Wenn ich es kritisch sehe, dann ist der Titel UNESCO City of Media Arts nur ein Etikett, auf das man stolz sein kann. Wir verwenden das UNESCO-Logo für Linz, wir sind eine „City of Media Arts“ im Verbund der Creative Cities der UNESCO und sind stolz darauf. Aber das kann nicht alles sein.
Das wirklich Interessante ist das Netzwerk, das diese Creative Cities bilden, und das zu nutzen, um Strategien zu entwickeln, wie innerhalb dieses Netzwerkes agiert und kooperiert werden kann. Dementsprechend sollen Kooperationen auf verschiedenen Ebenen erarbeitet werden.
Ich persönlich sehe aber für die Zukunft eine der größten Herausforderungen darin – und das macht es für mich spannend – herauszufinden, was dieses Netzwerk tun kann, wenn es um Fragen der Weiterentwicklung des digitalen Zeitalters geht. Denn bedenken wir eines: Wir befinden uns jetzt vielleicht im Mittelalter dieses digitalen Zeitalters. Welche Strategien braucht es also, um mit dieser Entwicklung, die sich zweifelsohne nicht aufhalten lässt, intelligent und kompetent umzugehen? Ars Electronica hat heuer das Thema „Post City“. Damit wollen wir dieses Thema am Beispiel der Stadtentwicklung diskutieren, und bereits hier wird das UNESCO-Netzwerk aktiv werden, in Form von Workshops, also einem gemeinsamen Nachdenken.
Und wenn du jetzt an Linz in zehn Jahren denkst? Ist Linz dann die SuperMedienkunststadt?
Christine Schöpf: Ich erinnere mich an einen etwas kritischen Artikel, den ich fürs Kulturhauptstadtjahr 2009 geschrieben habe, wo ich gesagt habe: Linz hat Ars Electronica, das ist schon richtig, aber das kann doch noch nicht alles gewesen sein! Es ist jetzt vielleicht nicht das beste Beispiel, aber wenn es um die Ausstattung von öffentlichen Gebäuden geht, also Rathaus und ähnlichen, dann greift die Stadt wir noch immer auf Flachware zurück. Ich will aber nicht überkritisch sein: Linz war so schnell mit Hotspots, es gibt fast flächendeckend Wlan, und es ist auch auf kommunalen Online-Plattformen viel passiert. Wünschenswert wäre natürlich eine philosophische Medien-Fakultät, idealerweise an der Johannes Kepler Universität angesiedelt. Es gibt also noch viel zu tun, damit sich Linz als Medienstadt weiterentwickelt und sich nicht auf den Lorbeeren ausruht!