Christopher Lindinger, Co-Direktor bis 2019 des Ars Electronica Futurelab seither Vizerektor für Innovation und ForschInnen an der JKU, ist gewissermaßen der Architekt hinter der UNESCO City of Media Arts. Er war federführend bei der Erstellung des Antrags. Dieses Interview entstand am Tag nach der Bekanntgabe der Aufnahme von Linz ins UNESCO-Netzwerk.
Lieber Christopher, wir LinzerInnen können uns nun ja allesamt gratulieren, aber ganz besondere Gratulation zuerst einmal an dich und das Team hinter dem Bewerbungsverfahren. Super, dass der Titel nach Linz geholt wurde!
Christopher Lindinger: Ich habe mich auch wahnsinnig gefreut, als die Nachricht von der UNESCO gestern Früh endlich eingetrudelt ist. Ich wusste ja, dass die Entscheidung der Jury Ende November, Anfang Dezember gefällt wird und hab die letzten Tage vor Neugierde schon im Minutentakt meine Nachrichten gecheckt. Als die Entscheidung da war, sind gleich hundert Jubel-Emails zwischen den Leuten, die letztes Jahr an der Bewerbung mitgearbeitet haben, hin und her gegangen. Neben der Ars Electronica waren ja auch die Kulturdirektion der Stadt Linz, die Creative Region in der Tabakfabrik, die Kunstuni Linz, das OK – Offenes Kulturhaus und viele andere Institutionen wesentlich am Linzer Bewerbungsprozess beteiligt.
Welche Vorteile dürfen wir uns denn durch den Titel und die damit verbundene Aufnahme in das Netzwerk der UNESCO Creative Cities erwarten?
Es ist zu erwarten, dass Linz künftig eine noch stärkere Anziehungskraft auf das internationale Publikum ausüben wird.
Christopher Lindinger: In das Creative-Cities-Netzwerk werden von der UNESCO nur Städte aufgenommen, die in einer der Sparten Literatur, Film, Musik, Kunsthandwerk, Gastronomie, Design oder eben Medienkunst herausragende Leistungen vorweisen können. Bisher haben weltweit nur 69 Städte eine dieser Auszeichnungen erhalten, darunter Metropolen wie Buenos Aires, Bilbao, Shanghai, Berlin, Helsinki oder Tel Aviv. Nun ist Linz auch dabei und darf den Titel und das UNESCO-Logo in jeglicher Kommunikation über die Stadt anführen. Die UNESCO möchte mit dem Netzwerk die kulturellen Identitäten der titeltragenden Städte stärken, was für das Standing der Kunst- und Kulturtreibenden vor Ort, aber etwa auch für den Kulturtourismus eine wesentliche Unterstützung bedeutet. Daneben werden die Vernetzung, der Erfahrungsaustausch und die kreative Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Creative Cities aktiv durch die UNESCO gefördert. Es ist zu erwarten, dass Linz künftig eine noch stärkere Anziehungskraft auf das internationale Publikum ausüben wird.
Warum denkst du, dass sich Linz gegen die vielen internationalen Mitbewerber-Städte durchsetzen konnte? Welche Punkte haben die Jury deiner Meinung nach überzeugt?
Christopher Lindinger: Dass Linz in den letzten Jahrzehnten einen wirklich beeindruckenden Wandel von der reinen Industrie- zur Kultur- und Technologiestadt vollzogen hat, wird ja immer wieder zitiert. Aber man muss schon völlig zurecht hervorheben, dass Linz bereits in den späten 1970er-Jahren einen außerordentlichen Weitblick bewiesen hat und sich für soziale und künstlerische Fragestellungen geöffnet hat, die mit einem Gerät einhergingen, das damals für breite Kreise der Bevölkerung immerhin noch unbekannt war: dem Computer. Das erste Ars Electronica Festival, die erste visualisierte Klangwolke gingen schon im Jahr 1979 über die Bühne. Gerade weil Linz so früh wie keine andere Stadt auf die Verbindung von Technologie, Kunst und Partizipation durch die Bevölkerung gesetzt hat, waren die vielen Kreativen, Technologieforscher und Gäste hier in Linz nie nur Kommentatoren des Zeitgeschehens, sondern immer auch Vorreiter und relevante Mitgestalter einer technologischen Revolution, die mit Internet, Social Media und anderen digitalen Tools nun längst in unserem Alltag angekommen ist.
Die Tabakfabrik als Drehscheibe für Kreative, Designer, Hacker und Maker ist ein internationales Vorzeigebeispiel für innovative Stadtentwicklung.
Tim Berners-Lee, der als Erfinder des World Wide Web gilt, wurde von der Ars Electronica im Jahr 1995 für sein Hypertext-Konzept ausgezeichnet – der erste Preis, den er dafür je bekommen hat. Mit dem Ars Electronica Center haben wir im gleichen Jahr ein einzigartiges Museum der Zukunft geschaffen, mit dem Ars Electronica Futurelab eine Forschungs- und Entwicklungseinheit, die vom Magazin WIRED als eines der Top 10 Medienlabors der Welt genannt worden ist. Und daneben gibt es noch so vieles mehr. Das digitale Archiv der Ars Electronica stellt das weltweit größte Archiv für die Genese von Cyber Arts dar. Die Kunstuniversität mit ihrem Intermedialitäts-Schwerpunkt. Oder denken wir an Linzer Persönlichkeiten wie VALIE EXPORT, die als Ikone der Medien- und Performance-Kunst gilt. Aber für die Jury war sicher auch ausschlaggebend, welches kreative Zukunftspotenzial in Linz steckt. Und da reicht ja beispielsweise ein kurzer Blick in Richtung Tabakfabrik. Auch die dort stattfindende Transformation vom einstigen Hort der Tabakproduktion zur Drehscheibe für Kreative, Designer, Hacker und Maker ist ein internationales Vorzeigebeispiel für innovative Stadtentwicklung.
Und nun, wo wir City of Media Arts sind – kannst du schon etwas über Zukunftspläne verraten? Gibt es spezielle neue Aufgaben für Linz?
Christopher Lindinger: Klar, da gibt es neue Aufgaben und Pläne, die sich nach außen richten, und dann auch solche, die nach innen in die Stadt gerichtet werden. Nach außen hin sind wir dazu aufgefordert, uns stark ins Creative-Cities-Netzwerk der UNESCO einzubringen. Wie bereits angesprochen hat Linz in den letzten Jahrzehnten einen viel beachteteten Transformationsprozess hingelegt. Mit unserer Erfahrung können wir als gutes Beispiel vorangehen, andere Städte inspirieren und beraten. Mit jenen Städten, die das Label „City of Media Arts“ ebenfalls bereits tragen, darunter etwa Sapporo, Tel Aviv, Dakar und Lyon, möchten wir unsere langjährigen guten Kontakte und die Zusammenarbeit noch intensivieren, etwa in Form von Austausch- und Residency-Programmen. Darum planen wir bereits, im Rahmen des Ars Electronica Festival 2015 ein Netzwerktreffen aller UNESCO Cities of Media Arts zu veranstalten.
So manche Schätze der Medienkunst, mit denen wir in Linz gesegnet sind, sollen noch stärker ins Licht gerückt werden.
Innerhalb von Linz möchten wir bewusst Maßnahmen setzen, um die wertvolle Auszeichnung noch stärker im City-Branding zu verankern. Die Entwicklung dementsprechender touristischer Media-Arts-Pakete bietet sich nun ja beispielsweise an. Daneben sollen so manche Schätze der Medienkunst, mit denen wir in Linz gesegnet sind, noch stärker ins Licht gerückt werden. So gibt es etwa den Vorschlag, ein VALIE EXPORT Center einzurichten, in dem der Vorlass der Künstlerin für Öffentlichkeit und Forschungszwecke aufbereitet wird. Natürlich müssen aber auch Initiativen gesetzt werden, die die aktuelle Linzer Kunst-, Kultur- und Kreativszene unterstützen.
Kulturdirektor Julius Stieber hat die Bildung eines „City of Media Arts Executive Board“ angekündigt, in dem neben dir noch Patrick Bartos, Geschäftsführer der Creative Region Linz & Upper Austria, sowie Gerda Forstner, Leiterin der Städtischen Kulturentwicklung, vertreten sein werden. Wie siehst du diese neue Rolle?
Christopher Lindinger: Als Executive Board werden wir einerseits Ansprechpartner für die UNESCO, die anderen Städte aus dem Creative-Cities-Netzwerk und die Presse sein, andererseits ein offenes Ohr für Vertreter der Linzer Kreativwirtschaft, für Künstlerinnen und Künstler und für Technik-Geeks haben. Wir werden versuchen, Akteure in der Stadt zu vernetzen, sie an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam zu diskutieren, wie man den symbolischen Wert des UNESCO-Labels in den nächsten Jahren durch konkrete Inhalte und Maßnahmen stärken kann, wie man auch thematische Querverbindungen in städtische Bereiche wie Bildung und Tourismus herstellen kann. Die konkreten Projekte müssen dabei aber sicher nicht immer große Maßnahmen wie etwa ein VALIE EXPORT Center sein, sondern können sich auch in kleineren Schritten ausdrücken, die als Triggerpunkte für Neues wirken, etwa einem Linzer Medienkünstler einen Forschungsaufenthalt in Tel Aviv zu ermöglichen oder jemanden aus Sapporo für einen Workshop nach Linz zu holen.
Das Interview führte Magdalena Leitner im Dezember 2014 für den Blog der Ars Electronica: http://www.aec.at/aeblog/2014/12/03/linz-zur-unesco-city-of-media-arts-gekurt/